EINLEITUNG



New Sky Building

Die Wohnung hier ist wirklich der Hit: Im 13. Stock (direkt unter'm Dach) eines im metabolistischen Stil erbauten, silbrig glänzenden Hochhauses. Es liegt wie ein gerade eben gelandetes Raumschiff mitten in Shinjuku, einem der Hauptzentren Tokios und dort am Rande des alten Vergnügungsviertels Kabuki-cho. Das muß man sich vorstellen wie eine riesige Reeperbahn, allerdings etwas harmloser. Neben den Love-Hotels (aus Gründen der Anonymität ohne Portier, aber mit Zimmerbuchungsautomat), den Nachtbars und den schwarzen Yakuza-Schlitten (die japanische Mafia fährt Mercedes und BMW mit getönten Scheiben) gibt es hier allerdings auch sehr gute Restaurants, heiße Discos und gemütliche Kneipen und zwar auf der gesamten Preisskala. Vom Balkon meines Zimmers im "New Sky Building" (Das sooo new gar nicht mehr ist) kann ich abends die "Lichter der Großstadt" in Kabuki-cho sehen. Zur anderen Seite des Gebäudes liegt ein verträumtes, mit niedrigen Häusern bebautes Wohngebiet, so daß ich von unserem Wohnungsbalkon (eher eine große Dachterasse) einen herrlichen Blick über Tokio habe.

Shinjuku

Das Zimmer ist 18m² groß - gigantisch für Tokioter Verhältnisse - und traditionell japanisch eingerichtet (mit papiernen Schiebewänden vor den fünf Fenstern). Es kostet nur 800,- DM im Monat, rekordverdächtig niedrig. Den Grund erklärte mir ein Mitbewohner: Der Vermieter möchte keine Yakuza-Leute aus Kabuki-cho in seinem Haus haben, deswegen vermietet er - zu niedrigeren Preisen - an Studenten.

Meine Wohnung teile ich mir mit zwei japanischen und einem taiwanesischen Studenten, anfangs schien es mir, als lebten die drei nur nebeneinander her. Nachdem ich ein paar Sake-Abende auf unserem Balkon veranstaltet hatte, tauten sie aber alle drei auf, und mittlerweile sind wir gute Freunde geworden. Meine anfängliche Befürchtung, ich würde hier möglicherweise nur mit anderen Gaijin (=Ausländer, wörtlich: Fremder) in Kontakt kommen, waren unberechtigt. Zu den verschiedenen Feten, die ich auf dem Dach des Hauses veranstaltet habe, kamen eher mehr Japaner als Deutsche.

Ich habe hier schon so unglaublich viel gesehen, erlebt und kennengelernt, daß es unmöglich ist, meine Eindrücke in einem Brief wiederzugeben. Aber ich möchte doch zumindest einige Geschichten erzählen, die einen Eindruck von dem vermitteln, was mir hier so alles passiert.

© 1998 Mortimer v. Plettenberg



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